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Aufruf zur Menschlichkeit

Ja, ein „Containerdorf“ für 400 geflüchtete Menschen auf engstem Raum unter einfachsten Bedingungen ist ein Problem. Sammelunterkünfte generell sind ein Problem. Sie sind menschenverachtend, isolierend, ausgrenzend.

Ja, die Informationspolitik in Bezug auf die bestehende Unterkunft ist ein Problem. Die BürgerInnen wurden wieder nicht rechtzeitig informiert, die Planung nur wenig bis gar nicht vom Senat mit dem Bezirk abgestimmt. Aber warum setzt man sich dann nicht für Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen ein? Warum schließt man sich mit organisierten Neonazis, mit NPD, mit Die Rechte zusammen? Mit Bürgerbewegungen, die nicht davor zurückschrecken, geflüchtete Kinder zu fotografieren und öffentlich zu diffamieren? Warum ist die Kritik an Standort und Unterbringung so oft mit Rassismus verbunden, so oft mit Sozialchauvinismus?

Ja, es ist rassistisch zu sagen, dass man Angst haben müsse, die Kinder jetzt alleine zur Schule zu schicken.

Ja, es ist rassistisch zu sagen, der Bezirk würde nicht mehr sicher und sauber sein.

Ja, es ist auch rassistisch zu sagen, Geflüchtete wären kriminell, hätten eine ganz andere aggressive Mentalität, wären unhygienisch. „Marzahn bleibt deutsch“ skandierend durch einen Bezirk zu laufen ist rassistisch. Menschen so pauschalisierend und generalisierend auf Grund ihrer Herkunft negative Eigenschaften zuzuschreiben ist Rassismus.

Wenn die Sorge besteht, dass es mit solch einem „Containerdorf“ in der Nachbarschaft schwierig wird, warum greift man dann auf solch rechte Argumentationsmuster zurück? Es sind Menschen, die vor Krieg, Armut, Elend, Ausgrenzung fliehen; die sich eine bessere, friedliche Zukunft für sich und ihre Familie gewünscht haben – und hier in Container gesteckt werden, in eine Nachbarschaft voller Hass und Neid. Warum ist die Schlussfolgerung jedoch eben nicht, helfen zu wollen, zu unterstützen – für ein friedliches, solidarisches Miteinander? Nein, um die Verhältnisse zu ändern bedarf es keines Schulterschlusses mit organisierten Neonazis.

Nein, durch die Unterbringung von Geflüchteten hat man nicht weniger Sozialleistungen, Kitaplätze, Jugendangebote. So funktioniert Politik nicht und so funktionieren Haushalte nicht. Nein, man muss nicht immer zwischen „wir“ und „die“ unterscheiden – man kann einfach solidarisch mit Menschen in Not sein, in welcher Not auch immer. Was macht euch denn angeblich wertvoller, hilfsbedürftiger als diese Menschen? Dass ihr zufällig in einem Land geboren wurden, welches glücklicherweise wirtschaftlich besser da steht als andere? Das ist nicht euer Verdienst. Allein dieser Umstand eines privilegierten Geburtsortes sollte alle dazu anhalten, ihren Wohlstand zu teilen und diejenigen zu unterstützen, denen es schlechter geht.

Dabei ist es völliger Quatsch, diese gelebte Solidarität auf Menschen zu beschränken, die ihr „zum eigenen Volk“ zählt. Euch verbindet ein Wort in einem Pass. Das Glück, nicht in Armut, Krieg und Unterdrückung geboren worden zu sein, sollte zu Dankbarkeit und nicht zu Ausgrenzung und sinnbefreiten Stolz führen.