Wir freuen uns, diese Woche beim diesjährigen Berliner Präventionstag den ersten Preis gewonnen zu haben. Die Verleihung stand unter dem Motto „Aktiv gegen Radikalisierung – gemeinsam Verantwortung übernehmen“. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um Kritik zu üben, daher teilen wir unsere Dankesrede gern auch mit euch:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Im Namen des Vereins möchten ich mich für diesen Preis bedanken. Wir sind ein überparteilicher Zusammenschluss von Ehrenamtlichen, die sich für geflüchtete Menschen engagieren und die der rechten Hetze im Bezirk etwas entgegen setzen wollen.
Ich bitte zu entschuldigen, dass wir heute nicht, wie geplant, mit deutlich mehr Mitgliedern erschienen sind. Doch angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Lage in Europa und der leider katastrophalen und chaotischen Bedingungen für Asylbewerber, auch hier in Berlin, ist Zeit unter uns EhrenamtlerInnen ein sehr kostbares Gut. Denn die aktuelle Notsituation wird derzeit von zahlreichen Flüchtlingsinitiativen und mehreren hunderten EhrenamtlerInnen in ganz Berlin geschultert. Sie alle stehen ein für das Versagen von Behörden und Politik, sie stehen auch nach Feierabend für Menschenrechte ein, sie kümmern sich um Schlafplätze, die medizinische Notversorgung, Verpflegung, sortieren Spenden, koordinieren Hilfsangebote und haben währenddessen noch ein offenes Ohr. Im Namen all dieser HelferInnen nehmen wir den Preis stellvertretend an.
Jede Einzelne hätte eine Auszeichnung verdient. Denn jede einzelne gute Tat bedeutet Prävention – und darum geht es ja heute hier. Jede gute Tat ist Prävention gegenüber Rassisten, denen gezeigt wird, dass sie in der Minderheit sind und das kein Platz in der Gesellschaft für ihr würdeloses Gedankengut ist. Jede Unterstützung bedeutet Prävention vor der Wirkung, die PolitikerInnen erzielen wollen, wenn sie davon sprechen, dass die Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft nicht überstrapaziert werden dürfe und die somit die restriktiven Asylgesetzverschärfungen und Grenzkontrollen rechtfertigen. Doch PolitikerInnen würden vielmehr für die Solidarität der Gesellschaft tun, wenn sie dafür Sorge tragen würden, dass es nicht die Zivilgesellschaft sein muss, die den wichtigsten und größten Teil der Hilfe leistet.
Das Thema heute ist „Gemeinsam gegen Radikalisierung“. Gern möchte ich Ihnen einen Einblick geben, wie das im Bezirk Marzahn Hellersdorf aussieht, wie sich die Hilfssituation gestaltet und mit welchen Problemen wir zu kämpfen haben.
Fast täglich kommt es zu Übergriffen auf Geflüchtete und UnterstützerInnen in Marzahn- Hellersdorf. Eine zunehmend militantere rechte Szene schreckt mittlerweile nicht mehr vor Brandanschlägen, körperlichen Übergriffen, Morddrohungen und der Bedrohung mit Waffen zurück. Es ist wichtig und unabdingbar, den Missstand klar zu benennen, um GEMEINSAM gegen diese Radikalisierung vorzugehen. Dies geschieht gerade in Marzahn jedoch leider sehr zögerlich. Stattdessen ist lediglich immer wieder die Rede vom Konflikt zwischen Linken und Rechten; das Problem wird reduziert auf einen „kleinen Kern an Rechtsextremen, bei denen man keine Verhaltensänderung erreichen“ könne [Anmerkung: das ist ein Zitat des Bürgermeisters]. Dass zeitweise bis zu 1000 BewohnerInnen diesem Kern folgten wird dabei jedoch ausgeblendet. Nein, es ist kein Konflikt zwischen Linken und Rechten. Es ist der Konflikt, der von anschlussfähigen menschenverachtenden Demokratiefeinden ausgeübt wird gegenüber AsylbewerberInnen und gegenüber einer Zivilgesellschaft, die sich schützend vor die AsylbewerberInnen stellt und einer Zivilgesellschaft, die dafür selbst leider oft genug kriminalisiert und immer wieder nicht ausreichend geschützt und unterstützt wird. Dies geht leider so weit, dass nicht nur AsylbewerberInnen sich nicht sicher im Bezirk fühlen. Es führt leider auch dazu, dass Menschen, die Hilfe leisten wollen sich nicht trauen aus Angst davor, selbst zur Zielscheibe von Rechten zu werden. Es liegt also noch ein langer und schwerer Weg vor uns.
Mit der Begegnungsstätte LaLoka haben wir In Hellersdorf einen Grundstein gelegt. Das Laloka ist eine Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Flucherfahrung. Dort sollen vor allem Geflüchtete Projekte starten und umsetzen können. So ist z.B. seit Januar ein Internetcafé entstanden, dass von Geflüchteten selbstorganisiert betrieben wird. Regelmäßig finden auch verschiedenste Veranstaltungen statt, z.B. Filmabende und Feste. Sprachunterricht wird organisiert und Freundschaften werden geschlossen. Bislang sind schon viele tolle Projekte von und mit Geflüchteten entstanden. Das LaLoka hat täglich bis
zu 70 BesucherInnen und durch den täglichen Austausch konnten schon viele Vorurteile abgebaut werden. Wir bedanken uns für das Preisgeld, das uns dabei hilft, dieses in Deutschland bislang einzigartige Pilotprojekt fortzusetzen und ich freue mich ganz besonders, dass heute Ali und Sajid mitgekommen sind. Denn Ihnen gebürt dieser Preis. Täglich setzen sie sich für die Belange der Gäste des LaLokas ein, haben für alle ein offenes Ohr, kümmern sich um die verschiedenen Projekte und stellen sicher, dass das LaLoka 6 Tage die Woche von 12-22h geöffnet hat. Sie leisten Unglaubliches und wir möchten uns ganz herzlich bei Ali und Sajid für ihre Arbeit bedanken! Der Applaus gehört euch!